Dienstag, 21. Mai 2013

Kapitel 5- Zweifel

Wir gingen nach draußen, wo es schon längst dunkel war. Trotzdem überraschte mich die Tatsache, da ich nicht gemerkt hatte, wie lange ich in der Bibliothek gewesen war. Leicht schmollend lief ich hinter Danielle her. Ich traute dem Ganzen nicht wirklich, war aber doch irgendwie zu höflich, um was zu sagen. Wir gelangten an den kleinen Teich und ich merkte, ich hatte ihn vermisst. Obwohl ich erst einmal hier gewesen war. Tatsächlich hatte ich mir die Warnung von Kristin zu Herzen genommen. Und auch jetzt beschlich mich ein unbehagliches Gefühl, mein Verstand schrie: ‘Hier solltest du nicht sein!’ Doch ich wischte es einfach mal beiseite. Immerhin würde Danielle schon wissen, was sie tat. Auch wenn ich im Hinterkopf durchaus den Gedanken hatte, dass es schlecht für mich sein könnte. Dieses Misstrauen wollte ich ablegen, so schwer es auch war.
“Keine Sorge, um die Uhrzeit kommt Kristin nicht her”, meinte Danielle, als hätte sie meine Gedanken erraten. Vermutlich konnte man es mir vom Gesicht ablesen. Aber Moment, dieses verängstigte Mädchen war ich ja nicht mehr. Also Kopf hoch und näher ans Wasser. Ich wollte gerade fragen, warum wir hier waren, als ich das Klicken eines Zippos vernahm, was meinen Blick zu Danielle lenkte. Sie zündete sich eine Zigarette an. Ich machte gerade den Mund auf um zu sagen, dass man am Schulgelände nicht rauchen durfte, schloss ihn dann aber wieder, ohne etwas zu sagen. Sonst würde ich ja gleich wieder als Memme dastehen. Ich ließ mich ins kalte, feuchte Gras fallen und der erste Gedanke, der mir dabei in den Sinn kam war ‘so muss sich der Tod anfühlen.’ Ich hatte keine Ahnung, wie ich darauf gekommen war, über das Thema hatte ich mir seit der Beerdigung meiner Großmutter vor 6 Jahren nicht mehr den Kopf zerbrochen.
“Willst du auch eine?”, fragte Danielle und hielt mir die Zigarettenpackung hin. Ich rauchte eigentlich nicht und zögerte. Dann aber dachte ich mir, was kann schon passieren? Von einer Zigarette würde ich schon nicht süchtig werden. Also nickte ich zaghaft und nahm mir eine, zündete sie an- und hustete. Es war das ekligste Gefühl, das ich je hatte. Zwar hatte ich schonmal als Kind an einer Zigarette meines Erzeugers gezogen, aber das hier war noch ekliger. Vielleicht lag es daran, dass ich Panik im Nacken hatte. Vielleicht aber auch daran, dass die Zigarette stärker war. Danielle lachte: “War ja klar, dass das passiert. Du machst das falsch.” Dann fing sie an mir zu erklären wie es richtig ging und siehe da- beim nächsten Zug klappte es schon. Eklig fand ich es trotzdem, doch Danielles Gesicht war eine zufriedene Miene, also schwieg ich und rauchte die Zigarette zu Ende. Solange es sie glücklich machte.
“Kommt ihr immer hierher um zu rauchen?”, fragte ich nach einer Weile der Stille und zog meine Beine an den Körper, um mich ein bisschen zu wärmen. Ich konnte es immer noch kaum glauben, dass ich hier mit diesem Mädchen saß. Aber irgendwie fühlte ich mich trotzdem wohl, komischerweise.
“Ja. Die Lehrer kommen fast nie hier runter. Manchmal glaube ich, die wissen gar nicht, dass hier ein Teich ist”, erklärte Danielle grinsend und schnippte ihren Zigarettenstummel in den Teich. Empört blickte ich sie an, sagte aber nichts. Ich fand es nach wie vor dämlich, einfach hier zu rauchen. Wenn die Lehrer ja nun doch runterkamen, was dann?
“Hast du bei Kristin gepetzt?”, fragte ich schließlich leise und wandte den Blick von ihr ab. Eigentlich war die Frage überflüssig, wer sonst sollte gepetzt haben? Obwohl ich es übertrieben fand, wegen abgelehnter Nachhilfe Bücher zu zerstören.
“Ja. Und es tut mir leid. Ich hatte keine Ahnung, dass Kristin so reagieren würde”, entschuldigte Danielle sich und klang dabei so aufrichtig, dass ich ihr einfach glaubte. Verzeihen konnte ich Kristin nicht, aber ich konnte Danielle verziehen.
Langsam erhob ich mich wieder und rieb mir die Oberarme, da es echt kalt war und ich keine Jacke trug. Anschließend klopfte ich mir den Staub von der Hose und wandte mich zum Gebäude: “ich geh dann mal wieder rein..krieg ich meine Tasche wieder?”
“Du willst schon gehen? Wie schade”, kam es bedauernd von Danielle, aber sie reichte mir die Tasche. Ich winkte ihr kurz zum Abschied zu und stapfte zurück zum Schulgebäude. Ich fühlte mich ein wenig benebelt, einerseits vom rauchen, andererseits davon, dass ich mich mit Danielle unterhalten und seltsamerweise auch verstanden hatte.

Ich erreichte mein Zimmer und stellte die Tasche auf dem Boden ab. Mira lag auf dem Bett und las in einem Buch, blickte aber auf, als ich durch die Tür kam: “Du kommst spät.”
Leicht nickte ich: “Ich war noch in der Bücherei..” Meine Stimme klang nicht so überzeugend und meine Zimmerkollegin merkte das auch. Ich fühlte mich schlecht, weil ich sie belog und es fiel mir auch enorm schwer, weshalb ich auch gleich mit dem Rest rausrückte: “Ich hab mich mit Danielle unterhalten. Die Freundin von Kristin..sie ist erstaunlich freundlich, ich hab mich mit ihr gut verstanden.”
Mira’s Blick wurde misstrauisch: “Du hast dich mit Danielle unterhalten? Du solltest dich nicht zu sehr auf sie einlassen. Sie ist immer noch eine Freundin von Kristin.”
Ein weiteres Nicken war meine Reaktion darauf, das wusste ich selbst auch. Doch insgeheim vertraute ich Danielle irgendwie.
“Du riechst nach Rauch. Warst du etwa rauchen?”, hakte Mira in so einem vorwurfsvollen Ton nach, dass ich förmlich schrumpfte. Gott, ich fühlte mich wie bei einem Verhör mit meiner Mutter.  Das gefiel mir gar nicht. Und es macht mich irgendwie aggressiv.
“Ja, war ich. Und jetzt?”, hakte ich also ein wenig gereizt nach und warf mich aufs Bett. Irgendwie sank meine Laune grad ziemlich rasant. Nicht, dass ich das nicht schon von mir kannte, aber an Mira wollte ich das eigentlich nicht auslassen. Also verkroch ich mich unter meinem Kissen und stritt mit mir selbst. Wie dumm ich war, dass ich geraucht hatte, dass ich Danielle überhaupt glaubte, ohne einen Beweis zu haben.
“Alles klar bei dir?”, hörte ich Mira nach einer Weile fragen. Noch ein bisschen mehr Schuldgefühle. Ich fuhr sie an, dabei machte sie sich nur Sorgen. Was dachte ich mir nur dabei?
So kam ich unter der Decke hervor: “Tut mir leid. Ich bin einfach...müde.”
Das war zwar nicht ganz die Wahrheit, aber egal. Oh man, ich wurde ja echt immer unehrlicher. Das konnte ja nicht sein.
“Oh..shit, ich hab meine Hausaufgaben nicht fertig”, fiel es mir siedend heiß ein und ich fuhr regelrecht hoch, wobei ich mir gleich mal den Kopf an der Mauer anhaute. Das war ja so typisch für mich. Ich rieb mir den Hinterkopf und holte die Sachen auf mein Bett, ehe ich anfing, sie durchzuarbeiten. Dabei schweiften meine Gedanken regelmäßig ab. War es das Richtige, was ich tat?


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